Die direkten Vorläufer der Zukunftsforschung

Visionen der Zukunftsforschung um 1900

Die direkten Vorläufer der modernen Zukunftsforschung werden meist ins ausgehende 19. Jahrhundert datiert. 1892 veröffentlichte der französische Physiologe und Immunologe Charles Richet (1850 – 1935) „Dans Cent Ans“. Darin versuchte er die Zukunftstrends bis zum Jahr 2000 herauszuarbeiten. Neu an diesem Werk war einerseits, dass es im Gegensatz zu Utopien und Science-Fiction bestrebt war, seine Hypothesen systematisch und aufgrund wissenschaftlicher Methoden zu bilden. Andererseits betonte Richet aber auch, dass sich seine Vorhersagen nur unter stabilen Gegebenheiten erfüllen würden und er somit nur eine mögliche Zukunft beschreibt. Richet erhielt übrigens einen Nobelpreis für Medizin und war zudem einer der ersten Vertreter der wissenschaftlichen Parapsychologie.

H.G. Wells veröffentlichte ab 1893 zahlreiche Artikel mit Beschreibungen der Zukunft. Diese stützten sich auf umfassende Kenntnisse sozialer Verhältnisse und technischer Möglichkeiten. 1902 publizierte er den Band „Anticipations of the Reaction of Mechanical and Scientific Progress Upon Human Life and Thought“. Er diskutierte darin unter anderem die neuen Fortbewegungsmittel wie Eisenbahn oder Automobil und ihre Einsatzmöglichkeiten und Auswirkungen auf die Gesellschaft. Auch auf die künftige Kriegsführung ging er ein und entwarf schließlich die Vision eines Weltstaats. Wells war einer der ersten, der ein gezieltes Erforschen der Zukunft durch Wissenschaftler empfahl. Während die Volkswirtschaftslehre nur Einzelaspekte der Zukunft berücksichtigt, regte er zu einem interdisziplinären Vorgehen an. Legendär ist auch sein Ausspruch aus dem Jahr 1932, wonach es verwunderlich sei, dass zwar Tausende von Lehrstühlen für Geschichtsforschung bestehen, es jedoch niemanden gibt, der hauptberuflich die künftigen Konsequenzen neuer Erfindungen und Techniken abschätzt: „Es gibt nicht einen einzigen Professor der Vorausschau (Professor of Foresight) in der Welt.“

Ähnlich argumentierte der britische Soziologe S.C. Gilfillan. Er schlug 1907 eine neue Wissenschaft von der Zukunft vor, welche er „Mellontologie“ nannte. Der Begriff konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Die Zukunftswissenschaft sollte noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.

1910 erschien der Sammelband „Die Welt in hundert Jahren“, herausgegeben von Arthur Brehmer. Darin stellten verschiedenste Autoren aus Wissenschaft, Kunst und Politik ihre persönlichen Vorstellungen von der Zukunft dar. Unter anderem wurde die Nutzung der Sonnenstrahlung zur Energiegewinnung vorgeschlagen. Ein Professor Hustler spekulierte über die Radioaktivität als Mittel gegen Krebs und das Altern. Bertha von Suttner prognostizierte eine Epoche des Friedens. Andere Autoren entwarfen künftige Kriegsszenarien. Derartige Sammelbände mit Zukunftsvisionen von Experten sollten fortan in der Zukunftsforschung sehr beliebt werden und spielen bis heute eine große Rolle.

 

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Niederwieser, Christof (2015) Prognostik 01: Zukunftsvisionen, Norderstedt: BoD – Books on Demand, S. 122f

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