Das 3-D-Programm der Führung von Reddin

Die Führungsforschung versucht seit Jahrzehnten, optimales Führungsverhalten durch einfache Modelle zu operationalisieren. Dabei sind viele dieser Ansätze einfach nur modische Zeitgeistmasken, unter denen die uralte Lehre von den vier Temperamenten verborgen ist. Das stelle ich ausführlich in meinem Buch „Die magischen Praktiken des Managements“ dar.

Eines dieser Persönlichkeitsmodelle findet sich im „3-D-Programm zur Leistungssteigerung des Managements“, welches der Managementforscher William James Reddin (1930 – 1999) im Jahr 1970 erstmals veröffentlicht hat. Darin beschäftigt er sich mit verschiedenen Führungsstilen und diesbezüglichen Theorien und Forschungsarbeiten.

„Das Kernstück der 3-D-Theorie ist eine sehr einfache Idee. Sie wurde in einer langen Reihe von Forschungsstudien entdeckt, die von Psychologen in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden. Sie stellten fest, dass die beiden Hauptelemente im Verhalten von Führungskräften mit der zu erledigenden Aufgabe und mit Beziehungen zu anderen Menschen zu tun hatten.“[i]

Und so teilt Reddin Führungsverhalten in die beiden Dimensionen Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung. Aus den Extrempolen dieser zwei Dimensionen kombiniert er vier Führungstile: Aufgabenstil, Integrationsstil, Beziehungsstil  und Verfahrensstil.

Reddins vier Führungsstile
durch Kombination von Beziehungsorientierung und Aufgabenorientierung[ii]

Diese Idealtypen des Manager-Führungsverhaltens sind nun keineswegs einfache Schubladen, um alle Führungssituationen in vier Kategorien einteilen zu können: „Es ist wichtig festzuhalten, dass diese vier Grundstilarten aus praktischen Gründen geschaffen wurden und keine unumstößliche  Tatsache darstellen. Diese die vier Stilarten trennenden Linien existieren in Wirklichkeit nicht, sie wurden nur gezogen, um die Diskussion über das Verhalten zu erleichtern.“[iii] Abermals sind normale Führungssituationen stets nur Mischformen dieser vier Idealtypen, oder, wie es bereits die Komplexionen beschrieben haben: „doch so nympt ayne vberhand, das ist die, di der Mensch aller mayst hat, vnd kain mensch hat allein eine.“[iv]

Der Aufgaben-Stil

Der Aufgabenstil entspricht einer hohen Aufgabenorientierung und einer niedrigen Beziehungsorientierung. „Der Aufgabenstil-Manager neigt dazu, andere zu beherrschen. Er gibt seinen Mitarbeitern viele mündliche Anweisungen. Seine Zeitperspektive liegt in der unmittelbaren Gegenwart. (…) In Ausschüssen spielt er gerne eine sehr aktive Rolle, initiiert, bewertet und leitet. (…) Stresssituationen löst er durch Dominanz.“[v] In seiner impulsiven Art schert er sich wenig um die Beziehung mit dem Mitarbeiter, sondern er trägt ihm spontan mündlich Aufgaben zu, sobald ihm diese einfallen. Der Aufgabenstil wird durch folgende Merkmale charakterisiert: „Bestimmt, aggressiv, zuversichtlich, geschäftig, treibt an, erteilt Aufträge, delegiert Verantwortung, setzt Maßstäbe jeweils individuell, selbstsicher, unabhängig, ehrgeizig.“[vi] Diese Eigenschaften entsprechen dem feurigen Temperament und den dementsprechenden selbstverwirklichenden, dschungelkämpfenden und hitzigen Persönlichkeitstypen, wie wir sie bereits kennengelernt haben.

Der Integrations-Stil

Der Integrationsstil ist das ausgleichende, kommunikative Schmieröl zwischen verschiedenen Meinungen und Interessen von Einzelnen und Gruppen im Getriebe des Unternehmens. Er weist in beiden Orientierungsdimensionen hohe Werte auf. „Der Integrationsstil-Manager wird gerne zu einem integrierten Teil der Dinge. Grundsätzlich möchte er gerne dabei sein und gibt sich große Mühe, zu Einzelpersönlichkeiten oder Gruppen bei der Arbeit besten Kontakt zu finden. Kommunikation mit anderen pflegt er gerne im Rahmen von Gruppen oder in häufigen Konferenzen und Besprechungen. Hier kann er die von ihm bevorzugte Zweiweg-Kommunikation verwirklichen.“[vii] Der Integrationsstil ist der luftige Teil der Führung. Gleich dem Sanguiniker ist er überall wohlgelitten und ein geistreicher Vermittler. Er bevorzugt Teamwork und möchte alle Mitarbeiter gleichberechtigt einbeziehen und voll integrieren. Er möchte in jedem die Leitidee entfachen. „Leitet Autorität aus Zweck, Idealen, Zielen, politischen Richtlinien ab; integriert den Einzelnen in die Organisation; will Mitsprache, geringe Machtunterschiede; Bevorzugt gemeinsame Ziele, Verantwortung; interessiert an Motivationstechniken.“[viii] Wie wir in dieser Beschreibung sehen, werden vor allem jene Regionen des Sanguiniker-Archetyps hervorgestrichen, in welchen sich dieser mit dem Phlegmatiker in seiner geselligen, empfindungsreichen Art überlappt. Er betont dennoch die intellektuell-kommunikativen Elemente, was in magischer Terminologie sehr feuchter Luft (Luft ist warm-feucht, Wasser kalt-feucht) oder einem Vorherrschen der venusischen vor den jovialen Kräften entspricht.

Der Beziehungs-Stil

Der Phlegmatiker hingegen lässt sich in Reddins Modell treffend dem Beziehungsstil-Manager zuordnen. „Der Beziehungsstil-Manager akzeptiert andere so wie sie sind. Er hat Freude an langen Gesprächen als Möglichkeit, andere besser kennenzulernen. (…) Er sieht Organisationen primär als soziale Systeme und beurteilt seine Mitarbeiter danach, wie gut sie andere verstehen. Er beurteilt Vorgesetzte nach der Wärme, die sie Mitarbeitern zeigen. In Ausschusssitzungen unterstützt er andere, gleicht Differenzen aus und hält andere dazu an, ihr Bestes zu geben.“[ix] Hier haben wir den wässrigen Teil der Führung, welcher sich um die menschliche Seite, um die seelischen Belange und Empfindungen der Mitarbeiter kümmert. Er ist der soziale Firmenmensch mit den gemütlichen und geselligen Gesichtern von Mond und Venus, der sich um die Menschen hinter dem System sorgt. „Menschen stehen an erster Stelle; ruhig, unbeachtet; lange Gespräche; mitfühlend, verständnisvoll, wohlwollend, freundlich.“[x] Seine Aufgabenorientierung ist zwar niedrig, dafür aber seine Beziehungsorientierung hoch.

Der Verfahrens-Stil

Schließlich bleibt noch der Verfahrensstil-Manager, welcher sowohl in Aufgabenorientierung, als auch in Beziehungsorientierung ein niedriges Niveau aufweist und somit den passivsten und trockensten Charakter darstellt.

„Dem Verfahrensstil-Manager liegt viel an der Korrektur von Abweichungen. Er bevorzugt die schriftliche gegenüber der mündlichen Kommunikation. (…) Von der Zeitperspektive ist er vergangenheitsorientiert und richtet sich danach, „wie wir es das letzte Mal schon gemacht haben.“ (…) In Ausschusssitzungen verfolgt er gern einen unterkühlten parlamentarischen Stil, versucht Positionen abzuklären, andere bei Erledigung der Tagesordnung zu lenken und alle Beiträge über den Vorsitzenden zu leiten. Er ist offensichtlich gut geeignet für Positionen in der Verwaltung, im Rechnungswesen, in der Statistik oder in der Konstruktion. (…) Wenn Dinge falsch laufen, reagiert er meistens mit dem Vorschlag strengerer Kontrollen.“[xi]

Der Verfahrensstil-Manager ist das erdige Rückgrat der Organisation, der konservative und beharrliche Pol und entspricht Saturn, dem gestrengen Wächter der Grenzen, als Planet des trägen und trockenen Melancholikers. Er wird beschrieben als „vorsichtig, sorgfältig, konservativ, ordentlich; Vorliebe für Schreibtischarbeit, Verfahren, Tatsachen; Sucht nach festgelegten Prinzipien; genau, pedantisch, korrekt, perfektionistisch; unerschütterlich, bedächtig, bescheiden.“[xii] Der Verfahrensstil ist der erdige Teil der Führung, die Welt der Fakten, Regeln und Ordnungen, Zahlen und Vorgaben, Konten und Routinearbeiten.

Das 3-D-Modell der Führungsstile von Reddin[xiii]

Aus 2D wird 3D

Diese vier Führungsstile sind nun Ausgangspunkt der 3-D-Theorie. Reddin fügt als dritte Achse die Effektivität hinzu, wodurch er in den Extrempolen des Würfels acht Führungsstile erhält. Der Grad der Effektivität sagt aus, inwieweit das Führungsverhalten der Situation angebracht und insofern erfolgreich ist. Reddin stellt fest, dass es keinen richtigen Führungsstil gibt. „Aus weiteren an mehreren Universitäten durchgeführten Forschungsarbeiten ging deutlich hervor, dass jeder einzelne dieser vier Grundstile in bestimmten Situationen effektiv, in anderen wiederum ineffektiv sein kann. Kein Stil ist an sich mehr oder weniger effektiv.“[xiv] Deshalb arbeitet er für jeden Führungsstil eine Lichtseite und eine Schattenseite heraus, wie wir in der Abbildung sehen.

Verfahrensstil: Kneifer oder Bürokrat

Der Schatten des Verfahrensstil-Managers wird griffig als „Kneifer“ bezeichnet. Er meidet Verantwortung, zieht sich zurück in einen Dienst nach Vorschrift, behindert andere und widersetzt sich dem Wandel, ist unkooperativ und engstirnig. Diese Darstellung entspricht den sehr negativ angehauchten Beschreibungen des melancholischen Temperaments in den mittelalterlichen Komplexionstexten. Die Lichtseite im Bild des „Bürokraten“ gleicht hingegen den guten Seiten des Saturns. Er ist „zuverlässig, loyal, erhält System und laufenden Betrieb aufrecht, kümmert sich um Details; rational, logisch, selbstbeherrscht; fair, gerecht, objektiv.“[xv]

Beziehungsstil: Gefälligkeitsapostel oder Förderer

Der Beziehungsstil führt, wenn er uneffektiv eingesetzt wird, zum „Gefälligkeitsapostel.“ Dieser „vermeidet Konflikt; angenehmer, freundlicher, herzlicher Mensch; vermeidet Anregungen, passiv, gibt keine Anleitungen; kein Interesse an Ergebnissen.“[xvi] Er versucht es allen recht zu machen und hat über die Beziehungsebene die Aufgabe aus den Augen verloren. Im Positiven wird der Beziehungsstil-Manager hingegen zum „Förderer“ und „hält Kommunikationskanäle offen, hört zu; fördert Begabungen anderer, bildet aus; versteht andere, unterstützt sie; arbeitet gut mit anderen, kooperiert, man traut ihm, er vertraut anderen.“[xvii]

Integrationsstil: Kompromißler oder Integrierer

Der Integrationsstil zeigt sein negatives Gesicht im „Kompromissler“. Er „führt Mitspracherecht zu weit; nachgiebig, schwach; meidet Entscheidungen; betont Aufgaben und Beziehungen in unangebrachten Situationen; Idealist, mehrdeutiges Verhalten, ihm wird misstraut.“[xviii] Er stolpert wendehälsisch zwischen den verschiedensten Anforderungen herum und meistert diesen Drahtseilakt mehr schlecht als recht. Wird der Integrationsstil hingegen effektiv eingesetzt, so kann der Manager als „Integrierer“ bezeichnet werden. Dieser „fällt Entscheidungen in Zusammenarbeit mit der Gruppe; setzt Mitspracherecht situationsangemessen ein; weckt Engagement für Ziele; fördert höhere Leistungen; koordiniert andere in ihren Tätigkeiten.“[xix] Er macht seiner vornehmsten und edelsten Komplexion des luftigen Elementes ganze Ehre als weiser Vermittler zwischen verschiedenen Positionen und geistreicher Unterhalter.

Aufgabenstil: Autokrat oder Macher

In Licht und Schatten des Aufgabenstils zeigen sich die schöpferische und die vernichtende Kraft des Feuers. Das dunkle Gesicht ist der „Autokrat“, welcher beschrieben wird als „kritisch, bedrohlich; trifft alle Entscheidungen; fordert Gehorsam, unterdrückt Konflikte; will Maßnahmen, Ergebnisse sofort; Kommunikation nur nach unten, handelt, ohne andere um Rat zu bitten; gefürchtet, ungeliebt.“[xx] Er entspricht dem zornigen Choleriker, welcher in einem Kreis von Flammen die Frau mit einem Knüppel schlägt.[xxi] Als Diktator und tollwütiges Raubtier streift er gefürchtet durch die Gänge der Abteilung. Das lichte Gesicht des Aufgabenstils offenbart sich im Bild vom „Macher“. Dieser ist „entscheidungsfreudig, zeigt Initiative; fleißig, dynamisch; führt Dinge zu Ende, ist engagiert.“[xxii] Er entspricht dem berittenen Krieger und Schwertträger, dem solaren König am Schreibtisch des Erfolgs.

Die antiken Temperamente in Reddins 3D-Programm

Interessant wird es nun, wenn man das Basisschema der 3-D-Theorie[xxiii] kombiniert mit dem aristotelischen Schema zur Konstruktion der vier Elemente aus Feuchtigkeitsgrad und Temperatur der Hyle.[xxiv] Die Dimension Aufgabenorientierung entspricht dabei der Temperatur der Hyle. Das bedeutet, dass hohe Aufgabenorientierung als aktiv (warm) und niedrige als passiv (kalt) umschrieben wird.

Die vier Elemente in Reddins 3-D-Modell

Die aktiven Elemente Feuer und Luft entsprechen einer hohen Aufgaben-orientierung. Durch die alchemistischen Symbolentsprechungen zweier spitz nach oben verlaufender, somit aufwärts strebender Dreiecke, einmal ohne und einmal mit Querbalken, wird die außengerichtete Handlungsbereitschaft angezeigt. Einer niedrigen Aufgabenorientierung entsprechen hingegen die zwei passiven (kalten) Elemente Erde und Wasser, was sich in den nach unten weisenden Dreiecken, welche sich schier Richtung Boden fallen lassen, ausdrückt. Luft und Feuer sind aktiv und in ständiger Bewegung. Erde und Wasser sind passiv und streben stets zum tiefsten Punkt des geringsten Widerstandes. Sie wollen ruhen, nicht emporstreben. Sie wollen bewahren, nicht umstürzen oder in Aufruhr versetzen.

Die Beziehungsorientierung steht mit dem Feuchtigkeitsgrad der Hyle in Analogie. Eine hohe Beziehungsorientierung entspricht den zwei feuchten Elementen Wasser und Luft. Dies zeigt sich auch in der teilweisen charakterlichen Überlappung von Phlegmatiker und Sanguiniker in ihrem geselligen, umgänglichen Wesen. Die trockenen Elemente entsprechen hingegen einer geringen Beziehungsorientierung. Der zurückgezogene Melancholiker und der selbstbetonte Choleriker agieren im sozialen Umfeld deutlich angespannter und sind weniger angenehm handzuhaben. Ihre trockenen Persönlichkeiten sind mehr mit der Sicherung und Konsolidierung, Verwaltung und Organisation des Erreichten beschäftigt (Erde) oder mit dem Durchsetzen von neuen Ideen und Eigeninteressen (Feuer) als mit der Pflege von Beziehungen und sozialen Umgangsformen. Oft werden diese zwei Pole trocken und feucht auch mit gespannt und gelöst umschrieben.

FUSSNOTEN

[i] Reddin (1977), S. 25
[ii] nach Reddin (1977), S. 44
[iii] Reddin (1977), S. 43
[iv] Reißer (1997), S. 319
[v] Reddin (1977), S. 50
[vi] Reißer (1997), S. 262
[vii] Reddin (1977), S. 51
[viii] Reddin (1977), S. 271
[ix] Reddin (1977), S. 47
[x] Reddin (1977), S. 256
[xi] Reddin (1977), S. 48
[xii] Reddin (1977), S. 244
[xiii] nach Reddin (1977), S. 28
[xiv] Reddin (1977), S. 27
[xv] Reddin (1977), S. 254
[xvi] Reddin (1977), S. 259
[xvii] Reddin (1977), S. 260
[xviii] Reddin (1977), S. 274
[xix] Reddin (1977), S. 277
[xx] Reddin (1977), S. 266
[xxi] siehe spätmittelalterliche Abbildungen des Cholerikers auf S. 125 und S. 128
[xxii] Reddin (1977), S. 269
[xxiii] Reddins Grundschema auf S. 152
[xxiv] Das Elementenschema von Aristoteles auf S. 117

LITERATUR

Reddin, William J. (1977) Das 3-D-Programm zur Leistungssteigerung des Managements, München: Verlag Moderne Industrie

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Niederwieser, Christof (2018) Die magischen Praktiken des Managements, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 151ff

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