Nekromantie in Afrika

Totemfiguren zur Totenbeschwörung in Afrika

Nekromantie, die Totenbeschwörung, ist auch heute noch verbreitet. Vor allem in Afrika herrscht in vielen Stämmen ein ausgeprägter Ahnenkult. Beispielsweise bei den Yoruba in Süd-Nigerien ist es Brauch, vor wichtigen Entscheidungen die Geister der Vorfahren zu befragen. Dazu wird ein kleines Loch in den Boden gegraben und das Blut eines Huhnes hineingeschüttet. Das Familienoberhaupt ruft dann die verstorbenen Ahnen herbei, erläutert ihnen die Situation und erkundigt sich nach ihrem Rat. Es gibt aber auch professionelle Totenbeschwörer, welche „Awon Abokusoro“ (Sprecher mit den Toten) genannt werden. James Johnson (ca. 1836 – 1917), einer der ersten schwarzen Bischöfe, behauptete in seinem Buch über „Yoruba Heathenism“ (1899), dass sich ihre Prophezeiungen erstaunlich oft bewahrheiten würden.[i]

Bei den Ovimbundu im Zentrum Angolas war es noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich, dass sich der Häuptling an den Kopf seines Vorgängers wandte, um Rat zu suchen. Dieser wurde in einer Schachtel aufbewahrt und bei der Befragung von zwei Knaben an einer Stange gehalten. Manchmal wurden zu diesem Zweck auch Ahnenfiguren aus Holz vom Medizinmann befragt.[ii] Die Kommunikation mit Ahnen oder Geistern durch Holzfiguren ist in Afrika auch heute noch weit verbreitet, etwa bei den Yaure, Baule, Guro und Senufo an der Elfenbeinküste, in den Regionen von Bwa, Bobo, Nuna und Tusya in Burkina Faso, im nigerianischen Mumuye oder bei den Punu in Gabun. Die Wahrsager versetzen sich in Trance und hören dann die Stimmen der Geister und Verstorbenen aus den Holzfiguren sprechen.[iii]

Bei den Bulsa im Norden Ghanas ruft der Wahrsager (Baano) mit einer Kürbisrassel und einer Art Sprechgesang den Jadok-Geist herbei. Dieser ist Medium der Ahnen und wird immer dann konsultiert, wenn jemandem Ungemach widerfahren ist oder wichtige Entscheidungen bevorstehen. Sobald Jadok vom Wahrsager und dessen Stock Besitz ergriffen hat, nimmt der Klient das untere Ende des Stockes. Dann beginnt der Stock sich zu bewegen und zeigt dabei auf verschiedene Gegenstände, die am Boden liegen. Beispielsweise ein kleines Töpfchen symbolisiert Schwangerschaft, eine Hacke Erfolg beim Ackerbau oder die Klaue eines Vogels Krankheit. Jeder Wahrsager hat sein eigenes Arsenal von Gegenständen und Symbolbedeutungen. Manchmal zeigt der Stock auch auf Körperteile des Klienten. Berührt er die Augen des Befragers, so soll er „seine Augen offen halten.“ Der Nabel bedeutet Geschwister. Die Nase zeigt an, dass er „einen langen Atem“, also ein langes Leben haben wird und so weiter. Zumeist läuft es darauf hinaus, dass man den Ahnen Tieropfer bringen muss, um das angezeigte Unheil abzuwenden oder das angezeigte Wohlergehen sicherzustellen.[iv] Hier sind die Grenzen zwischen visionärer Ahnenbefragung und zeichendeutender Prognostik bereits fließend.

FUSSNOTEN

[i] Lucas (1948), S. 287f
[ii] Schilde (1940), S. 6
[iii] Homberger in Lutz (1999), S. 273ff
[iv] Schott (1997), S. 16ff, S. 26ff

LITERATUR

Lucas, Olumide (1948) The Religion of the Yorubas, Lagos: C.M.S. Bookshop

Lutz, Albert u.a. (1999) Orakel – Der Blick in die Zukunft, Zürich: Museum Rietberg

Schilde, Willy (1940) Orakel und Gottesurteile in Afrika, Leipzig: R. Voigtländers Verlag

Schott, Rüdiger (1997) Orakel und Opferkulte bei Völkern der westafrikanischen Savanne, Opladen: Westdeutscher Verlag

 

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Niederwieser, Christof (2015) Prognostik 01: Zukunftsvisionen, Norderstedt: BoD – Books on Demand, S. 41f

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