Synektik in der Zukunftsforschung

Eine der komplexesten und anspruchsvollsten Varianten des Brainstorming ist die 1961 von William Gordon vorgestellte Synektik. Bei dieser Methode wird die Kreativität dadurch stimuliert, dass die Problemstellung über Analogiebildung auf ähnliche Strukturen übertragen und auf der neuen Ebene gelöst wird. Folgende Darstellung soll die Schritte der Synektik an einem einfachen Beispiel veranschaulichen:[i]

  1. Problemanalyse und Information
    „Wie lassen sich Bilder möglichst einfach rahmen? Auf welche Arten lässt sich eine Glasplatte auf einem flachen Bildträger befestigen?“
  2. Neuformulierung des Problems
    „Wie lassen sich Bilder rahmen, sodass die Glasplatte möglichst einfach wieder abgenommen werden kann?“ – Gruppe wählt Titel: „Wechsel von Bedeckungen“
  3. direkte Analogie aus der Natur
    zu „Wechsel von Bedeckungen“: Schneedecke schmilzt; Erosion; Geweih wird abgestoßen etc. – Gruppe wählt: „Schlange streift ihre Haut ab“
  4. persönliche Analogien
    „Wie fühlt man sich als häutende Schlange?“: Es juckt mich am ganzen Körper; bin neugierig, wie ich jetzt aussehe; endlich frische Luft etc. – Gruppe wählt: „Die alte Haut engt mich ein.“
  5. symbolische Analogie
    zu „Die alte Haut engt mich ein.“: Panzer, würgendes Ich, unterdrückte Identität etc. – Gruppe wählt: „Lückenlose Fessel“
  6. direkte Analogie aus der Technik
    zu „Lückenlose Fessel“: Leitplanken der Autobahn; Druckbehälter; Schienenstrang, Stierkampfarena etc.
  7. Force-Fit: Analyse der technischen Analogie und Anwendung auf das ursprüngliche Problem
    zu „Leitplanke“: Blechprofil, auf beiden Seiten der Autobahn, verformbar – abgeleitete Ideen: Bildträger und Glasplatte werden in einem Profilrahmen verklemmt; Halterungen werden nur an zwei Seiten angebracht; knetartige Kugeln auf die Ecken von Bildträger und Glasrücken.

Wie man bereits an diesem einfachen Beispiel sehen kann, ist Synektik eine sehr aufwendige Methode, welche viel Übung und Erfahrung im analogen Denken erfordert. Aus diesem Grund wird sie in der Zukunftsforschung auch nur selten eingesetzt. Häufiger bedient man sich ihrer in der Wirtschaft, etwa wenn es um die Entwicklung oder Vermarktung neuer Produkte geht oder in der Technik. Der Grundgedanke der Synektik, das Analogisieren von Problemstellungen, wird auch in der Bionik herangezogen. Diese versucht, durch Analogien aus der Tier- und Pflanzenwelt zu neuen technischen Erfindungen zu gelangen, indem beispielsweise Eigenschaften von Insektenflügeln auf Flugmaschinen übertragen werden.

Der komplexe Aufbau der Synektik ist wahrscheinlich für ergebnisorientierte Aufgaben angemessener als für das Entwerfen von offenen Zukünften. Zwar lassen sich im Grunde sämtliche Kreativitätstechniken auch dazu verwenden, Inspirationen über die Zukunft zu produzieren. Doch wird in den meisten Fällen ein einfaches Brainstorming effizienter sein. Dennoch: die große Stärke der Synektik ist, dass sie das radikale Ausbrechen aus eingespielten Denkschemen forciert und so etwas grundlegend Neues entsteht. Und dies ist der Natur der Evolution mit ihren Überraschungen und Brüchen deutlich angemessener als die lineare Kreativität vieler anderer Techniken.

FUSSNOTEN

[i] nach Schlicksupp (1999), S. 135f

LITERATUR

Schlicksupp, Helmut (1999) Innovation, Kreativität und Ideenfindung, Würzburg: Vogel Verlag

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Niederwieser, Christof (2015) Prognostik 01: Zukunftsvisionen, Norderstedt: BoD – Books on Demand, S. 142ff

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