Wahrsageverbot im Alten Israel

König Saul und die Hexe von Endor (Julius Schnorr von Carolsfeld, 1860)

In der Frühzeit Israels dürfte es ebenfalls nekromantische Kulte gegeben haben. Später galt jedoch jegliche Wahrsagerei als Sakrileg. Nach Meinung der Juden bedienten sich ihrer nur gottlose Völker wie Babylonier oder Ägypter. Vor allem die Totenbeschwörung wurde als moralisch verwerflich angesehen. Im 5. Buch Mose, dem Deuteronomium, findet sich folgendes Verbot:

„Es soll sich keiner unter euch finden, der seinen Sohn oder seine Tochter durch das Feuer gehen lässt, der durch Wahrsagerei wahrsagt, Orakel durchführt, beschwört und Hexerei betreibt, der magische Binden bindet, der Totenbeschwörer oder Wissende befragt und Bescheide von Toten einholt. Denn ein Abscheu für Jahwe sind alle, die dies tun.“[i]

Dennoch erzählt das Alte Testament von einigen Juden, welche dieses Gebot in frevlerischer Weise verletzten. Die wohl bekannteste Geschichte beschreibt, wie sich Saul, der erste König Israels (Regierungszeit etwa 1012 – 1004 v. Chr.) inkognito an die Hexe von Endor wendet, um prophetischen Rat für seinen Krieg gegen die Philister zu erhalten. Sie beschwört für ihn den Geist des verstorbenen Propheten Samuel. Dieser ist äußerst ungehalten über die frevlerische Störung. Er wirft Saul vor, Gott verlassen zu haben und sagt ihm voraus, dass er deshalb sein Reich verlieren werde. Am nächsten Tag wird Saul von den Philistern vernichtend geschlagen und nimmt sich daraufhin das Leben.[ii]

FUSSNOTEN

[i] Deuteronomium 18,9-22 in Schmitt (2004), S. 339f
[ii] übersetzt und gekürzt nach Leviticus Rabbah 26,7 in Ciraolo / Seidel (2002), S. 101

LITERATUR

Ciraolo, Leda / Seidel, Jonathan u.a. (2002) Magic and Divination in the Ancient World, Leiden: Brill / Styx

Schmitt, Rüdiger (2004) Magie im Alten Testament, Münster: Ugarit-Verlag

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