Die Manager-Typologie von Maccoby

Wie kann man den wahren Charakter eines Menschen erkennen und daraus die Eignung als Mitarbeiter vorhersagen? Mit dieser Frage beschäftigen sich weite Teile der Human Resources Literatur. Dabei sind viele dieser Ansätze lediglich moderne Zeitgeistmasken der antiken Lehre von den vier Temperamenten. Das habe ich ausführlich in meinem Buch „Die magischen Praktiken des Managements“ dargestellt. Ein sehr populäres Modell stammt vom amerikanischen Psychoanalytiker und Anthropologen Michael Maccoby (*1933).

Maccoby führte eine sozialpsychologische Untersuchung an Managern in amerikanischen Großunternehmen durch. Mittels ausführlicher Tiefeninterviews mit Führungskräften erforschte er ihre „Gesamtorientierung zur Arbeit, zu Wertvorstellungen und zur Eigenidentität“.[i] So kam er „schließlich dazu, vier psychologische Haupttypen in der Technostruktur des Unternehmens zu nennen: den Fachmann, den Dschungelkämpfer, den Firmenmenschen und den Spielmacher. Dies sind Idealtypen in dem Sinne, dass nur wenige Menschen genau auf den Typ passen und die meisten eine Mischung von Typen sind. Aber in praktisch jedem Fall konnten wir uns einigen, mit welchem Typ eine Person am besten zu bezeichnen war, und fast immer stimmten dieser Mensch und seine Kollegen unserer Typisierung zu.“[ii]

Wir fühlen uns fast wörtlich an die Sätze aus dem spätmittelalterlichen iatromathematischen Hausbuch (um 1465) erinnert, wonach die vier Komplexionen der Temperamente niemals rein vorkommen, „doch so nympt ayne vberhand, das ist die, di der Mensch aller mayst hat, vnd kain mensch hat allein eine.“[iii] Maccobys vier Manager-Komplexionen werden nun folgendermaßen charakterisiert:

Der Fachmann

Der Fachmann ist „der Typ des rational denkenden, um Qualität und Sparsamkeit bemühten, ruhigen, bescheidenen, praktischen und aufrichtigen Menschen, also jener Typus, der als objektiv-nüchterner und sachlich-wissenschaftlicher Mensch beschrieben wurde, den Taylor unterstellt hatte bzw. erzeugen wollte.“[iv] Im Mittelalter hätte man ihm durchaus nachsagen können, er wäre geizig gewesen, denn er „hält an den traditionellen Werten des schaffenden Hamster-Charakters fest – an der Arbeitsethik, der Achtung vor Menschen, dem Bemühen um Qualität und Sparsamkeit.“[v] Er ist der erdige Materialist und rationale Pragmatiker, „traditionell der Baumeister, Bauer, Handwerker. (…) Mehr als jeder andere Charaktertyp hat er ein Gefühl für Grenzen – des Materials, der Energie, des Wissens und moralischer Zwänge -, die respektiert werden müssen, um ein gutes Leben zu führen. Es sind jedoch seine Arbeit und Erfindungsgabe, die von ihm gebaute Technologie, die von Dschungelkämpfern, Spielmachern und anderen Managern benutzt wurden, um diese Grenzen zu erweitern und zu durchbrechen.“[vi]

Damit kommt sein saturnischer Charakter zum Ausdruck. Saturn, der gestrenge Hüter der Grenzen der Bestimmung am Tor der Zeit, als Planet des Melancholikers für einsiedlerische Grübeleien ebenso stehend wie für den Wissenschaftler und den alten Weisen, lugt unter der Zeitgeistmaske des Fachmanns hervor. Er ist ein nachdenklicher Einzelgänger, dem alltäglicher Schabernack weniger liegt. „Uff kunste vnd wyßheit stot sin sin.“[vii] Nach dem rationalen Menschen Scheins stellt der Fachmann von Maccoby somit eine weitere Reaszendenz des melancholischen Erdtypen dar. Das Urmuster des Erdtemperaments wird bei Maccoby zeitgemäß beschrieben:

„Er kämpft eher mit der Natur und dem Material sowie vor allem mit seinen eigenen Qualitätsmaßstäben. Fachleute spielen weder in einer Mannschaftssportart noch sehen sie ihr gerne zu. Sie sehen kaum fern. Sie finden Gefallen daran, etwas zu erfinden, an alten Wagen herumzubasteln, ihr eigenes Haus zu bauen, in den Bergen zu wandern, Ski zu laufen.“[viii]

Der Dschungelkämpfer

Der Dschungelkämpfer ist demgegenüber weniger ein Einzelgänger als vielmehr ein Einzelkämpfer.

„Das Ziel des Dschungelkämpfers ist Macht. Er erfährt das Leben und die Arbeit als einen Dschungel (nicht als Spiel), in dem es heißt, friss oder werde gefressen, und in dem die Sieger die Verlierer vernichtet. (…) Dschungelkämpfer neigen dazu, die ihnen gleichgestellten entweder als Komplicen oder Feinde sowie ihre Untergebenen als Objekte anzusehen, die auszunutzen sind. Es gibt zwei Untertypen des Dschungelkämpfers, den Löwen und den Fuchs. Die Löwen sind die Eroberer, die, wenn sie erfolgreich sind, ein Imperium aufbauen können; die Füchse bauen sich ihr Nest in der Unternehmenshierarchie. Sie kommen verstohlen und durch Schläue vorwärts.“[ix]

Wir sind in der kriegerischen Welt von Mars gelandet. Der Dschungelkämpfer ist der einsame Held, der „seinen eigenen Erfolg sozialdarwinistisch rechtfertigt und die Unterlegenen für minderwertig hält.“[x] Der Stärkere überlebt im Daseinskampf um die Beute. Ihm geht es um die Selbstdurchsetzung. Ein Dschungelkämpfer sozusagen „ist ain mensch, der des fuires mer hat. (…) Er ist (…) ains grymmen, schnellen zorns, der ist im doch schier hin. Er ist kün und schnell mit allen dingen und redt gar vil. Er ist unforchtsam und hatt vil hars. (…) Er begert vil zehelsen und mag  wenig.“[xi]

Wie der feurige Choleriker zieht er den Angriff der Verteidigung vor. Dabei ist auch die weitere Differenzierung durch Maccoby in Löwe und Fuchs interessant, denn dem cholerischen Temperament gehören nach prämoderner Lehre seit jeher die astrologischen Feuerzeichen Widder, Löwe und Schütze zu. Der Widder als kardinales Feuer ist der ungestüme Einzelkämpfer und Eroberer, der Löwe als festes Feuer entspricht der Gestaltungskraft und Organisation und der Schütze schließlich als bewegliches Feuer steht für den Funken der Gedanken. Das erste Feuer des Widders steht somit für die Grundqualität des Dschungelkämpfers, während die anderen zwei Tierkreiszeichen als weitere Facetten des cholerischen Temperaments bei Maccoby in den Verfeinerungen von Löwe und Fuchs zum Ausdruck kommen. Die von Maccoby gebrauchte Bedeutung des Löwesymbols entspricht dabei der astrologischen Deutung, während der Fuchs als Allegorie für Schlauheit und Hinterlist in der Astrologie seit jeher dem Schützen zugeordnet wird.

Damit zeigt sich, wie das Urmuster vom cholerischen Feuertemperament unter der Maske des Dschungelkämpfers abermals in der offiziellen Erscheinungswelt auftaucht. Wie der selbstaktualisierende Mensch bei Schein steht es auch ihm nach Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung.

Der Firmenmensch

Kommen wir nun zum dritten Managertypus. Der Firmenmensch hat große Ähnlichkeiten mit dem sozialen Menschen Scheins. Er ist der Idealtyp des Funktionärs, „dessen Identitätsgefühl sich darauf gründet, dass er ein Teil der mächtigen, schützenden Firma ist. Sein stärkster Zug ist die Sorge um die menschliche Seite des Unternehmens, sein Interesse an den Gefühlen der Menschen in seiner Umgebung. Wenn er am schwächsten ist, dann ist er ängstlich und unterwürfig, sogar mehr auf Sicherheit bedacht als auf Erfolg.“[xii] In den mittleren Managementebenen war er in Maccobys Untersuchung der am häufigsten vertretene Typus.

„Der Firmenmensch ist notwendig für das Funktionieren großer Unternehmen. (…) Firmenmenschen glauben, dass es ihnen am meisten nützt, wenn das Unternehmen gedeiht, aber ihr Glaube an das Unternehmen kann das Eigeninteresse übertreffen. (…) So sehr sie von Hoffnung auf Erfolg motiviert werden, so sehr werden sie auch von Furcht und Sorge um die Unternehmensprojekte und um die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihrer Umgebung sowie um ihre eigene Karriere getrieben. Abseits vom Unternehmen kommen sich die Firmenmenschen unbedeutend und verloren vor.“[xiii]

Sein Charakter entspricht dem wässrigen Temperament des Phlegmatikers, dessen gesellige und nicht sonderlich ehrgeizige Art im Firmenmensch fortbesteht. Das Wasser als magisches Symbol der Gefühle und des Seelenlebens steht auch beim Firmenmenschen im Zentrum des Interesses. Erwähnenswerterweise waren die Firmenmenschen in der Untersuchung gerade dort, wo es um den seelischen Faktor des Betriebs geht, nämlich in der Personalabteilung, als einzige Stelle auch häufig in hohen Managementpositionen zu finden.

„Im Allgemeinen sind Firmenmenschen eher Innenmenschen, die sich außerhalb der Unternehmenskultur einer unfreundlichen Umwelt ausgesetzt sehen. Das macht sie zwar stark vom Unternehmen abhängig, aber es erhöht ihre Empfindungsfähigkeit gegenüber den Gefühlen – den emotionalen Höhen und Tiefen – der Menschen in ihrer Umgebung und gegenüber den Machenschaften in ihrer eingeengten Welt.“[xiv]

Der Spielemacher

Als vierten Typus führt Maccoby schließlich den Spielmacher ein, „der neue Mensch und in dieser Studie wirklich führende Charakter. (…) Er reagiert auf Arbeit und Leben wie auf ein Spiel. Wettbewerb putscht ihn auf, und er überträgt seine Begeisterung, wodurch er andere mit Energie erfüllt. Ihm gefallen neue Ideen, neue Techniken, frische Methoden und Abkürzungen. Er redet und denkt einfach und klar, dynamisch, manchmal spielerisch und blitzartig. (…) Im neuen Spitzenmanager der Kapitalgesellschaft mischen sich viele Züge der Spielmacher mit Aspekten des Firmenmenschen. Er ist ein Mannschaftsspieler, dessen Zentrum das Unternehmen ist.“[xv]

Der Spielmacher kann in seinen Charaktereigenschaften unschwer als die vornehmste und edelste Komplexion des Sanguinikers wiedererkannt werden. Wie sich dieser in einigen Merkmalen mit dem Phlegmatiker überlappt, etwa in der geselligen Darstellung mit Musikinstrumenten, so vermischen sich auch Spielmacher und Firmenmensch in manchen Bereichen. Die Luft als magisches Symbol für den Geist und seine Kommunikation ist das beweglichste und schnellste der Elemente. Eben diese Flexibilität ist es auch, welche den Spielmacher zum unverzichtbarsten Manager-Charakter macht.

„Die moderne Spielerpersönlichkeit entspricht den Anforderungen zur Führung von Organisationen, die sich gründen auf:

  • Wettbewerb – intern, national, international
  • Erneuerung – ständige Schaffung neuer Produkte oder Projekte, um ein Übergewicht über die Konkurrenz zu gewinnen.
  • Untereinander abhängige Gruppen – Experten, die das Produkt entdecken, entwickeln und vermarkten.
  • Schnelle Anpassungsfähigkeit – die Notwendigkeit, sich ändernde Zeitpläne und Termine zu erfüllen, erfordern einen Manager, der ein Team von Fachleuten und Firmenmenschen motivieren kann, einen Schritt zuzulegen.“[xvi]

Sein kommunikativer, geistreicher Charakter, seine sanguinische Fähigkeit, „daz er lieb hatt und lieb wirt gehebt“ machen ihn zum perfekten Vermittler zwischen verschiedenen und stetig sich ändernden Personen, Situationen und Anforderungen. „Er ist weys und clug auff erber sach. (…) Er ist kün und mütig zü güten dingen, gütig, lind an der haut, stet und vest in seinen sachen. Er ist nit betrogen. Er redt nit zevil und ist schemig. Er mag wol helsen und begert sein vil, wann er ist warm und feicht. Er wirt gern wolgelert und weyß.“[xvii] Seine schnelle Auffassungsgabe und Anpassungsbereitschaft führen dazu, dass „„sein gayst sind subtil, also was man in fur legt, das si das gar schire vnd pald begriffen. (…) Di sangwiney sind aller meist bewegt vnd vnstetich vnd ligen den dingen nit erenstlich ob.“[xviii]

Wie beim stets jugendlichen Sanguiniker überwiegt auch beim Spielmacher die Darstellung als hübscher, modisch gekleideter Jüngling. „Unsere Gesellschaft, geblendet vom ewig jugendhaften Charme der Spielmacher und mit ihrem Kampf gegen weniger attraktive Bürokraten sympathisierend, romantisiert sie. (…) Die tödliche Gefahr für die Spielmacher ist, in ewiger Jugend gefangen zu sein. (…) Ein alter und müde gewordener Spielmacher ist eine klägliche Gestalt, vor allem wenn sie einige Wettbewerbe und damit ihre Zuversicht verloren hat.“[xix]

In den Menschenbildern von Schein findet sich analog zu diesem Charakter ebenfalls eine Entsprechung. Oswald Neuberger schreibt: „Der Spielmacher Maccobys ähnelt dem komplexen Menschen von Schein: er vereinigt in sich die anderen Typen und ergänzt sie durch die Fähigkeit zu flexibel-angepasstem Einsatz.“[xx]

  Fachmann Dschungelkämpfer Firmenmensch Spielmacher
Typische Bedeutung des Wettbewerbs: Drang, das Beste zu bauen; Wettbewerb gegen sich selbst und gegen das Material Töte oder werde getötet, Herrsche oder werde beherrscht Steige auf oder falle; Wettbewerb als Preis für gesicherte Stellung Gewinne oder verliere; Triumph oder Demütigung
Quelle psychischer Energie für Wettbewerbsdrang: Interesse an der Arbeit; das Ziel ist Perfektion; Freude daran, etwas besser zu machen Machtlüsternheit und Freude, andere zu vernichten. Furcht vor Vernichtung; möchte der einzige an der Spitze sein Furcht vor dem Versagen; Wunsch nach Anerkennung durch Autorität Wettstreit, neue Spiele, neue Optionen; Freude an der Kontrolle des Spiels

Die typencharakteristischen Wurzeln des Wettbewerbs nach Maccoby[xxi]

In dieser Tabelle werden die vier Manager-Typen und ihre Einstellung zu Wettbewerb charakteristisch zusammengefasst. Der erdige Fachmann, der feurige Dschungelkämpfer, der wässrige Firmenmensch und der luftige Spielmacher entpuppten sich als modische Masken der prämodernen vier Temperamente. Ebenso wie Scheins rationaler, selbstaktualisierender, sozialer und komplexer Mensch lassen sie im heutigen Zeitgeist die Lehre von den vier Elementen fortleben.

FUSSNOTEN

[i] Maccoby (1977), S. 35
[ii] Maccoby (1977), S. 35
[iii] Reißer (1997), S. 319
[iv] Neuberger (1995), S. 28
[v] Maccoby (1977), S. 36
[vi] Maccoby (1977), S. 39f
[vii] aus „Laufenberg-Regimen“ (um 1475) in Reißer (1997), S. 322
[viii] Maccoby (1977), S. 41f
[ix] Maccoby (1977), S. 37
[x] Neuberger (1995), S. 29
[xi] aus dem Komplexionstext „Ordnung der Gesundheit“ (1510/11) in Reißer (1997), S. 323
[xii] Maccoby (1977), S. 37
[xiii] Maccoby (1977), S. 76
[xiv] Maccoby (1977), S. 77
[xv] Maccoby (1977), S. 37f
[xvi] Maccoby (1977), S. 85
[xvii] aus dem Komplexionstext „Ordnung der Gesundheit“ (1510/11) in Reißer (1997), S. 323
[xviii] aus dem Iatromathematischen Hausbuch / Codex Schürstab (um 1465) in Reißer (1997), S. 320
[xix] Maccoby (1977), S. 94
[xx] Neuberger (1995), S. 30
[xxi] nach Maccoby (1977), S. 90

LITERATUR

Maccoby, Michael (1977) Gewinner um jeden Preis – Der neue Führungstyp in den Großunternehmen der Zukunftstechnologie, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag

Neuberger, Oswald (1995) Führen und geführt werden, Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag

Reißer, Ulrich (1997) Physiognomik und Ausdruckstheorie der Renaissance, München: scaneg Verlag

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Niederwieser, Christof (2018) Die magischen Praktiken des Managements, Rottweil: Zukunftsverlag, S. 147ff

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